Mein Urlaub 2012 mit "Fürchtenichts" in Brandenburg

Wieso "Fürchtenichts"?

 

Unsere Wasserportbegeisterung haben wir von unserem Vater geerbt. Als Kinder und Jugendliche waren wir regelmäßig am Waginger See in Kühnhausen in Urlaub. Wir hatten ein Schlauchboot "Wiking Standard" mit dem wir gelegentlich auch Donaufahrten machten.

Mein Vater war in Ohlau in Schlesien, dem heutigen Olawa, 30 km oderaufwärts der Landeshauptstadt Breslau, aufgewachsen. Die Oder war der Spiel- u. Badeplatz. An der dortigen Schleuse zog ein Dampfschlepper die Lastkähne, die hauptsächlich mit Kohle aus Oberschlesien abwärts fuhren, im Unterwasser aus der Schleuse, damit sie ihre Reise fortsetzen konnten.

Dessen Name war "Fürchtenichts".

Irgendwann war er so alt, dass er durchgerostet in der Oder unterging.

Was aus dem Namensgeber wurde, ist mir nicht bekannt.

 

 

Wieso "Fürchtenichts"?     Unsere Wasserportbegeisterung haben wir von unserem Vater geerbt. Als Kinder und Jugendliche waren wir regelmäßig am Waginger See in Kühnhausen in Urlaub. Wir hatten ein Schlauchboot "Wiking Standard" mit dem wir gelegentlich au
Pause hinter einer Buhne an der Elbe
Ausblick von meinem Zelt

Dieses Jahr wählte ich ein für bayerische Bootsfahrer wahrscheinlich eher unbekanntes Gebiet für meinen Urlaub aus.

 

Aufgrund der günstigen Entfernung von zuhause und weil man fast überall auch mit Motor fahren kann, fiel meine Wahl auf die Brandenburger Havelseen.

 

Ich wurde nicht enttäuscht.

 

Pünktlich am Tag der Abfahrt brach der Sommer an und hielt die geplante Woche durch.

 

Abfahrt Sonntag morgens um 8 Uhr über Hof bis Eisenberg, ca. 50 km vor Leipzig fast kein Verkehr, dort wegen Markierungsarbeiten (am Sonntag!) 5 bis 6 km Stau. Deshalb dort ausgewichen und Weiterfahrt bis Leipzig auf Nebenstrassen.

Manche Orte sehen teilweise immer noch aus wie vor der Wende, andererseits hat sich in Bezug auf Strassenzustand, Farbe an den Häusern, Auswahl an Gasthäusern, Hinweise auf Sehenswürdigkeiten usw. schon viel getan.

Der Umweg hat sich schon allein wegen der Landschaft gelohnt, wer weiß schon, dass sich dort u.a. ein kleines Weinbaugebiet "Saale-Unstrut" befindet!

Kurz vor Leipzig komme ich auch an einem Rekultivierungsprojekt eines früheren Braunkohletagebaus vorbei. Ich denke schon über eine Änderung meiner Pläne nach, aber der Mangel an Waldstücken und das unfertige Aussehen mitten in der völlig ebenen Landschaft halten mich davon ab.

 

Natürliche, in der Erdgeschichte entstandene, Gewässer locken mich doch mehr.

 

Bei Niemegk fahre ich von der über viele km schnurgeraden Autobahn ab und nehme den Weg auf der Landstrasse über Bad Belzig nach Brandenburg /Havel. Es geht zwar auch durch den flachen Fläming, aber auf herrlichen alten Alleen, die immer wieder durch kleine Dörfer, Getreidefelder und Wälder unterbrochen werden. Die Strecke ist 30 km kürzer und die Geschwindigkeit nur unwesentlich geringer als mit dem Hänger auf der Autobahn.

 

In Brandenburg angekommen, zeigt bald ein Wegweiser Richtung Malge, wo sich ein Campingplatz mit Slipmöglichkeit befindet.

Die Zufahrtstrasse ist auf dem letzten Kilometer mit rundlichen Natursteinen gepflastert, die den Eindruck vermitteln, dass Auto und Trailer sich bald in ihre Einzelteile zerlegen. Solchen Strassen bin ich auch später in Ortsdurchfahrten noch mehrmals begegnet. Man hat das Gefühl, dass man mit 30 km/h zu den Rasern gehört, bis man von Einheimischen rasant überholt wird.

 

Die Slipanlage am See ist mir zu sandig. Ich befürchte, dass sich das Auto bei der Wegfahrt in den Sand eingräbt und ich fahre zum geplanten Campingplatz am Breitlingsee. Die Situation ist hier nicht besser, ich hätte doch den Slipwagen mitnehmen und mich nicht auf die Aussagen im Internet verlassen sollen.

 

Mein kleines Zelt ist schnell aufgebaut und ich gehe ins thailändische Restaurant des Platzes zum "Test"- Essen. Die Auswahl ist groß und preiswert, die Bedienung ist freundlich und ich werde es noch öfters besuchen.

 

Eine besondere Attraktion für Kinder ist der dortige Popcorn-Automat und die Hemmschwellen an der Zugangsschranke, die mit Skateboard und BMX zum Hindernisfahren oder Springen genutzt werden.

 

Die Sauberkeit in Toiletten, Waschräumen und Duschen ist hervorragend, auch Waschmaschinen und Trockner stehen zur Verfügung.  

 

vom Zelt nur 10 m bis zum Wasser, danach 200 m Flachwasser, leider mit sehr vielen scharfkantigen Muschelresten
vom Zelt nur 10 m bis zum Wasser, danach 200 m Flachwasser, leider mit sehr vielen scharfkantigen Muschelresten
Auf Bilder mit Abendstimmung kann man nicht verzichten
Auf Bilder mit Abendstimmung kann man nicht verzichten

 

Leider muss ich feststellen, dass der Selbstausbau meines „Fürchtenichts“ ohne Anleitung, "nach Gefühl" nicht allen Ansprüchen hinsichtlich der Festigkeit der Motoraufhängung genügt hat und eine Holzplatte gebrochen ist.

 

Also steht für Montag erst mal eine Reparatur an und das ganze fast ohne Werkzeug! Wenigstens ein paar Bohrer und einen Akkuschrauber habe ich eingepackt.

 

Aus der Not mache ich eine Tugend und erkunde nicht nur den Weg zu einem Baumarkt, der sogar Bootszubehör führt, sondern auch Teile der Stadt Brandenburg, die Seen vom Ufer her durch Wandern und Baden, dabei besorge mir auch eine professionelle Motorhalteplatte. Die einzige öffentliche Slipanlage in der Stadt Brandenburg macht mit ihrer geriffelten Betonauffahrt auch den Eindruck, dass sie für mich und mein Boot besser geeignet ist, als die Sandzufahrten an der Malge oder am Campingplatz.

 

Ich leiste mir an einem festmontierten Blitzer auf einer Ausfallstrasse ein Foto mit Selbstauslöser, lasse an gleicher Stelle zwei Tage später "sicherheitshalber" mit der exakt gleichen Geschwindigkeit nochmals eines machen. Die Qualität der Fotos steht aber in keinem Verhältnis zu deren Preis!

 

Bei der Bootsreparatur stelle ich fest, dass die Halterung mit der neuen Platte zu dick wird. Also muss sie abgehobelt werden.

Ich finde in Kirchmöser in der ehemaligen Pulverfabrik einen freundlichen Schreiner, der mir auch ein paar erste Hinweise zur Vergangenheit der weitläufigen Anlage gibt, und kann am Mittwoch mit zusätzlichen Winkeln und Schrauben das Werk fertigstellen. Gleichzeitig montiere ich auch mein Sonnendach, das in den kommenden Tagen auch seinen Zweck erfüllt.

 

 

Der Wasserturm von Kirchmöser von 1916, im Rahmen des Baus einer "kaiserlichen Pulverfabrik" erstellt, links daneben eines der typischen Industriegebäude. Der Turm ist nicht grün angestrichen, sondern mit Efeu bewachsen.

Hier war später ein RBA (Reichsbahnausbesserungswerk) angesiedelt. Die Gebäude stehen inzwischen unter Denkmalschutz und werden jetzt an Handwerks-u. Industriebetriebe vermietet.

 

 

Die Geschichte des Ortes wird mit Tafeln und Schaubildern an verschiedenen Stationen dargestellt.

 

Auch ein Lokomotivdenkmal mit einer BR 52 wurde augfestellt.

 

 


 

Wie sich herausstellt hat die Slipanlage für kleine Boote mehrere Mängel: Das Laufgitter liegt auf einzelnen Säulen auf und ist so hoch über dem Wasser, dass durch den Wind das Boot unten durchfährt, ich also nicht vom Steg sondern nur durchs Wasser ins Boot kann. Ein seitliches "Anlegen" ist nur für grosse Boote möglich. Alle Klampen am Steg, bis auf eine, sind demontiert = geklaut, sodass man Befestigungsleinen entsprechend "seemännisch" durch das Laufgitter stecken und verknoten muß.  Die letzte noch vorhandene Edelstahlklampe zeigt die gute Qualität der verschwundenen, mir mangelt es leider an Werkzeug, sie rechtzeitig „vor Vandalen zu retten“.

 

Erst fahre ich mit ein paar Ruderschlägen aufs Wasser hinaus, wo ich den Motor starte und ab geht es auf der Havel Richtung Amerika (gen Westen). Ein Tag auf dem Wasser liegt vor mir und ich tuckere mit halber Kraft mitten durch die morgendliche Stadt, wo sich am Freibad am kleinen Beetzsee die ersten Badegäste einfinden und immer wieder Angler am Ufer ihre Köder wässern. Hohe Bäume wechseln mit Buchten ab, in denen Seerosen in den Wellen schaukeln. Dazwischen mal heruntergekommene Industriebauten, Schiffsanleger, renovierte Häuser, Cafes, Biergärten, Parks und unberührte Natur.

 

 

 

Busse und Strassenbahn überqueren den Kanal. Am Ausgang zum Breitlingsee bringt eine Seilfähre Autos, Radfahrer und Fußgänger ans andere Ufer. Mein erstes Ziel ist die Malge, später Kirchmöser-Dorf zum Mittagessen. Bei geruhsamer Fahrt genieße ich den Anblick der vorbeiziehenden großen und kleinen Yachten, die kleinen Buchten im Schilfgürtel, das Aussteigen zum Baden an den sandigen Ufern, wo die vielen Muschelschalen aber manchem Badegast den Tag durch blutende Füße verderben.

 

 

 

 

Überall auf den Seen begegnet man "schwimmenden Wohnmobilen" teils auch mit Zeltdächern, die führerscheinfrei genutzt werden dürfen.

Zwischen Breitling- und Plauer See liegt die Insel Wusterau, ein Naturschutzgebiet, das nicht betreten werden darf. Man kann sich kaum vorstellen, wie gross dort Vogelschwärme, hauptsächlich Kormorane und Graugänse, sind. Ich habe eine Gruppe Kormorane gezählt und dies auf den Schwarm hochgerechnet. Es müssen ca. 400 Stück gewesen sein. Immer wieder kann man im Schilfgürtel Graureiher beim Fischen entdecken.

Graureiher auf Futtersuche
Graureiher auf Futtersuche
Ich bin ihm zu nahe gekommen
Ich bin ihm zu nahe gekommen

 

Ich verdränge meine Bedenken, das Auto mit Trailer einfach über Nacht in der Stadt stehen zu lassen und fahre am Abend mit dem Boot direkt direkt zum Campingplatz, wo ich die Ebbe in meinem Geldbeutel bemerke. Also nach dem Abendessen nochmals ins Boot und über die Havel nach Kirchmöser.

 

Es ist schon erschütternd, dass man beim Bau der Anlage mitten im ersten Weltkrieg noch so überheblich war, dass man nicht einmal auf steinerne Reichsadler auf den Säulen am Fabrikeingang und Riesenvillen für die Offiziere verzichtet hat, während die Soldaten z.B. bei Verdun und den anderen Schlachtfeldern im Dreck lagen und wie die Fliegen krepierten.

 

Am nächsten Morgen setze ich meine Erkundungstour teilweise rudernd und auch wieder mit Motor auf der Havel fort.

 

Zweimal rumpelt mein Aussenborder über den Untergrund, obwohl ich zweihundert Meter vom Ufer entfernt bin. Für größere Boote empfiehlt sich die Nutzung der betonnten Fahrrinne, in der auch immer wieder Binnenschiffe vom Elbe-Havel-Kanal Richtung Berlin bzw. zur Elbe fahren u.a. sehr viele Polen die über die Oder kommen. Mit höchstens 5 Meter Tiefe sind die Brandenburger Havelseen relativ flach und das Wasser erwärmt sich schnell.

 

Auf der abendlichen Rückfahrt durch Brandenburg mache ich noch Abstecher in verschiedene Seitenarme der Havel. An den alten Mühlengebäuden, wo das Wasser, das früher zum Antrieb der Mühlräder genutzt wurde, durch die Häuser fließt, kehre ich wieder um. Der Stadtkanal liegt etwas höher als die Havel. An der Stadtschleuse kann man sich aufs Niveau des Stadtkanals heben lassen. Die alten Mühlengebäude werden nach und nach mit Balkons versehen und zu attraktiven Stadtwohnungen umgebaut. Mitten in der Stadt liegen dicht an dicht kleine Häuschen mit Gartengrundstücken, vor denen Boote liegen und Treppchen zum Wasser herunterführen. Überall planschen Kinder und fahren Kanus.

 

 

Das historische Dampfschiff "Nordstern" wird gerade fürs Wochenende angeheizt
Das historische Dampfschiff "Nordstern" wird gerade fürs Wochenende angeheizt
Eisenbahnbrücke
Eisenbahnbrücke

 

Am Heinrich-Heine-Ufer verläßt gerade ein Brautpaar mit der Hochzeitsgesellschaft einen Ausflugsdampfer, in den Biergärten oder Cafes am Ufer sitzen Gäste und genießen den Feierabend oder betätigen sich sportlich .

 

 

 

Drei der alten Mühlen am "Mühlendamm" von Norden am Spätnachmittag.

Am oberen Foto sieht man deutlich die Wasserdurchlässe zum Antrieb der Mühle. Auch die alte Sauganlage fürs Getreide ist noch vorhanden. Die Havel hinter dem Gebäude liegt etwas höher. 

 

Das nebenstehende Foto zeigt ein solches Mühlengebäude nach dem Umbau zum Wohnhaus mit den entsprechenden Boots-"Parkplätzen".

Auch hier ist der Umbau in vollem Gange
Auch hier ist der Umbau in vollem Gange
nochmals näher besehen
nochmals näher besehen
"Ferien" und Wassersport mitten in der Stadt, nur  wenige Minuten vom Dom
"Ferien" und Wassersport mitten in der Stadt, nur wenige Minuten vom Dom
Meine Anlegestelle am Schloßpark
Meine Anlegestelle am Schloßpark

Auch wenn es nicht so aussieht:

Von hier waren es nur wenige hundert Meter am Schloßpark Plaue vorbei zum Bäckerladen im Supermarkt.

 

Hier mündet der Elbe-Havel-Kanal, die Verbindung zum Mittellandkanal.

Die Verbindung zwischen Plaue und Kirchmöser
Die Verbindung zwischen Plaue und Kirchmöser

Die Verbindung zwischen Plaue und Kirchmöser, zwischen Plauer- und Wendesee.

Schloss Plaue
Schloss Plaue

 

Leider enden an diesem Tag meine Havel-Ausflüge, weil es am nächsten Tag weiter Richtung Lüneburg gehen soll.

 

Trotz des etwas schwierigen Steges gelingt das Aufladen des Bootes ohne Hilfe, da die Betonauffahrt eine passende Neigung hat und die Räder greifen können.

 

In der Nacht rauscht das Schilf vom heftigen Wind und der angekündigte Wetterumschwung trifft mit Starkregen ein.

Bei der Abreise ist das Gewitter abgeklungen nur der Wind hält den ganzen Tag an und beim Einpacken sind Bootszubehör und Zelt noch naß.

 

Ich fahre über Jerichow und Havelberge, wo die Havel in die Elbe mündet, Wittenberge, Hitzacker auf der Landstraße über Dannenberg Richtung Lüneburg. Ob man die landschaftlichen Schönheiten von der Elbe aus mit ihren teilweise hohen Dämmen ebenso gut sieht, wie von der Strasse, bezweifle ich. Viele Ortschaften sind hinter den Deichen versteckt.

 

Wahrscheinlich wäre eine Radtour hier die interessantere Reisevariante.

 

 

Fischerhaus hinter dem Elbedamm Wittenberge
Fischerhaus hinter dem Elbedamm Wittenberge

Die Fahrt nach Lüneburg bringt mich u.a. zum Städtchen Hitzacker, dessen historische Altstadt nach den großen Elbehochwassern eine neue Uferpromenade erhielt.

 

Auf der Suche nach einer Slipstelle fallen die beiden in Lauenburg ebenfalls aus der Wertung, die eine ist mir zu steil, da dort wahrscheinlich meine automatische Kupplung Probleme hätte, die zweite scheint für die Öffentlichkeit gesperrt und führt direkt in die Strömung.

 

 

 

Hitzacker an der Elbe
Hitzacker an der Elbe

Erst der Besuch in Bleckede bringt eine Lösung. Neben der Fähre besteht die Möglichkeit, das Boot auf einem betonierten Slip zu Wasser zu lassen. Das Besucherzentrum des Biosphärenreservats im renovierten Schloss ist seinen Eintritt wert. Der uns für den Urlaub anvertraute Dackel kann mit Wasser versorgt werden, ist aber im Museum bei unserer Rückkehr verschwunden. Die Erklärung: Bei jedem neuen Besucher fing er erbärmlich an zu winseln, sodass ihn die Museumschefin zu sich ins Büro nahm, wo er sich wie zuhause fühlte.

 

Von Bleckede aus unternahmen wir zwei Fahrten auf der Elbe, einmal aufwärts bis Stiepelse, einmal abwärts bis Boizenburg und wieder an den Ausgangspunkt. Vom Fluss aus ist in Stiepelse nur ein Hausdach zu sehen, es handelte sich, wie erhofft, um ein Gasthaus, dem man nicht ansah, wie lecker der Fisch dort zubereitet wurde.

 

Der Hafen Boizenburg wurde offensichtlich erst kürzlich hochwassersicher ausgebaut. Vor dem alten Bahnhof, jetzt ein erstklassiges Speiserestaurant, lockte mich ein Lokdenkmal einer Köf an, die scheinbar bei der früheren Fliesenfabrik in Boizenburg ihren Dienst getan hatte. Der Stadtrundgang offenbarte uns ein attraktives Städtchen mit vielen historischen Gebäuden.